Die Covid-19-Pandemie ist eine Herausforderung für unser Gesellschaft. Eine Pandemie einzudämmen gehört jedenfalls nicht zu den Aufgaben, mit denen die breite Öffentlichkeit allzu oft konfrontiert ist. Das Gesundheitswesen ist zwar ein Politikfeld, das prinzipiell alle betrifft, aber viele von uns allenfalls vorübergehend unmittelbar. In jüngster Zeit ist das anders. Die Betrachtung der Pandemie berührt zahlreiche Themenfelder und rückt auch geopolitische Fragen in den Fokus.
Wir wissen über das SARS-CoV-2 und seine Auswirkungen immer noch zu wenig. Die Frage nach den Langzeitfolgen einer Infektion ist noch ungeklärt und erste Autopsieberichte bringen wichtige neue Erkenntnisse zutage. Wir werden ständig mit neuen Forschungsergebnissen konfrontiert, die unsere Ansichten auf den Kopf stellen können. Außerdem sind wir mit der Frage konfrontiert, inwieweit es nach einer überstandenen Infektion auch eine Immunität gibt und wie lange die andauert. Mittlerweile wird vielfach davon ausgegangen, dass die Herdenimmunität unerreichbar ist. Aber auch die Entwicklung eines Impfstoffes wird von einigen bezweifelt, während andere mit einem Impfstoff bereits im Herbst rechnen.
Vor etwas über einem Monat, ehe der Shutdown begann, hat die Alternative Liste mit dem Slogan „Flatten-the-Curve“ dafür geworben, die Ansteckungsrate soweit zu minimieren, dass das Gesundheitswesen nicht überlastet wird. Mittlerweile wurde diese Ansicht allerdings überholt. Viele Regierungen gingen, angetrieben von neueren Erkenntnissen, dazu über, die Pandemie mit der Strategie „Hammer und Tanz“ zu bekämpfen. Mit einem Shutdown soll das Infektionsgeschehen soweit heruntergedrückt werden, dass die Ansteckungsfälle nachvollziehbar werden und mit gezielten Quarantänemaßnahmen eindämmbar sind, während das Virus mit einer Reproduktionsrate, die unter eins liegt, ausgehungert wird. In Österreich war diese Strategie relativ erfolgreich. Und nachdem der Hammer der Ausgangssperren langsam gelockert wird, soll nun der Tanz beginnen.
Mein Zugang zu den verhängten Ausgangssperren ist ein widersprüchlicher. Offenkundig waren und sind die Verordnungen der Bundesregierung teilweise verfassungswidrig. Die strikte Ausgangssperre war es jedenfalls. Doch es war tatsächlich notwendig, das Infektionsgeschehen soweit abzuwürgen, dass das Gesundheitswesen Zeit bekommt, mit der neuen Situation umzugehen. Solange die Pandemie dauert, wird es Einschränkungen und Auflagen geben müssen.
Ein Ausnahmezustand kann und darf nicht der Normalzustand sein. Leute können nicht ewig zuhause sitzen und das soziale Leben muss auch wieder weitergehen. Und daher waren wir in der paradoxen Situation, dass wir die Kontakte wirklich drastisch reduzieren mussten, um sicherzugehen, dass die Pandemie auch dann unter Kontrolle bleibt, wenn die Auflagen langsam gelockert werden. Es bleibt jetzt nur zu hoffen, dass der verordnete Maskenball in den Einkaufszentren und im öffentlichen Verkehr auch sein übriges tut, um das Virus unter Kontrolle zu halten.
Doch zur Rückkehr zu einer „neuen Normalität“ gehört auch die Möglichkeit, die sich öffentlich zu versammeln und politischen Protest auf die Straße zu tragen. Spätestens zu dem Zeitpunkt, wo Friseurläden wieder öffnen, müssen auch Kundgebungen wieder möglich sein. Die Infektionsgefahr ist jedenfalls kein Argument, da sämtliche Teilnehmer*innen auch Masken tragen können.
Es ist an der Zeit, nachzufragen, wie es sein kann, dass ausgerechnet im Rettungsdienst beim Roten Kreuz die Mitarbeiter*innen in Kurzarbeit geschickt werden, während die Zivildiener eine Ehrenrunde drehen. Es ist auch an der Zeit, welche nicht unbegrenzt aufschiebbaren Operationen in Hinblick auf die derzeit gute Lage und die vorhandene Bettenkapazität nun durchgeführt werden kann. Es ist auch nachzufragen, wie es sein kann, dass das Gesundheitswesen sich in einer solchen Krise eher von den Menschen abschottet, anstatt noch besser zugänglich ist. Es ist auch kritisch zu hinterfragen, wie es sein kann, dass ausgerechnet Risikopatient*innen zu spät behandelt werden. Und auch das Verhalten von Teilen des ÖGB während der Krise ist kritisch zu hinterfragen, nachdem die Kolleg*innen aus der Sozialwirtschaft mit einem Aprilscherz der Sonderklasse beglückt wurden.
Und es ist auch an der Zeit, Transparenz einzufordern. Andere Städte haben längst einen Livestream für Gemeinderatssitzungen eingeführt. Innsbruck aber nicht. Offenkundig mögen einige Mitglieder des Gemeinderats keine Beobachtung durch diejenigen, die sie gewählt haben. Allerdings darf nicht vergessen werden, dass Gemeinderatssitzungen grundsätzlich öffentlich sind. Dass die Öffentlichkeit aus Infektionsschutzgründen den Sitzungen nicht beiwohnen kann, ist kein Grund, sie generell auszuschließen.
In Bezug auf das neue Coronavirus beträgt die Halbwertszeit von Informationen keine 24 Stunden. Das macht atemlos und kopflos. Das Virus wird aber so schnell nicht verschwinden. Es wird Zeit, dass wir tief Luft holen und einen klaren Kopf kriegen und unser Augenmerk darauf legen, dass nicht diejenigen, die vor wenigen Wochen ihren Job verloren haben oder in Kurzarbeit gehen mussten, die Kosten für die Krise tragen müssen, während es sich die Reichsten richten.
Die Alternative Liste Innsbruck hat als Gemeinderatsfraktion zahlreiche Anträge eingebracht, um es Menschen mit geringerem Einkommen zu erleichtern, die Krise gut zu überstehen. Wie in Linz und in Salzburg fordert die Alternative Liste Innsbruck auch einen Corona-Hilfsfonds der all jenen unter die Arme greift, die ansonsten vor dem wirtschaftlichen Ruin stünden.
Der Tanz hat schon längst begonnen. Allerdings nicht nur der mit dem Virus, sondern auch mit den wirtschaftlichen und sozialen Folgen der Corona-Krise. Wir müssen jedoch nicht nur selber tanzen, sondern auch die Verhältnisse zum Tanzen bringen…
Roland Steixner
Foto: De an Sun unsplash