Derzeit wird das politische Leben in Innsbruck per Notrecht gestaltet. Wie gehen Sie mit dieser Situation um?
In der Krisenzeit ist ein Notrecht für die Stadt Innsbruck ein notwendiges Instrumentarium, um die wichtigsten politischen Angelegenheiten für die Stadtbevölkerung umzusetzen. Leider hat in dieser Zeit die Regierung die gesamte Opposition nahezu komplett ausgeschlossen und damit die Mitgestaltung massiv eingeschränkt. Wir kommen nun in eine Phase, in der Schritt für Schritt in eine „Neue Normalität“ für uns alle einkehrt. In der Corona-Krise ist oft von Zusammenhalt die Rede, von Solidariät und gemeinsamer Verantwortung. Diese Werte müssen das Fundament der neuen, verdichteteren Normalität werden. Die Alternative Liste Innsbruck ist Ende 2017 genau auf diesen Werten gegründet worden, darauf baut unser politisches Sein als Stadtpartei. Durch die digitale Kommunikation hat die Politik die Möglichkeit, wieder ihre Beschlüsse und Sitzungen abzuhalten, ohne dass vom Notrecht Gebrauch gemacht werden muss. Genau das fordern wir gerade ein.
Aktuell wartet die Stadt auf die rechtlichen Änderungen im Landtag um Gemeinderatssitzungen durchführen zu können. Wie rasch sollte eine Gemeinderatssitzung dann einberufen werden?
Der Punkt auf der heutigen Landtagstagesordnung der das Stadtrechtrecht betrifft, sieht nur Onlinesitzungen für Ausschüsse und Stadtsenat vor. Wir haben vor über einer Woche mit einem dringenden Antrag die Stadtregierung darauf hingewiesen, sich auf den Landtagsbeschluss zu vorzubereiten und entsprechend das System mit sofortiger Wirkung umzustellen. Den Landtagsbeschluss hat es eigentlich für Gemeinderatssitzungen gar nicht gebraucht. Der Bund hat Gemeinderatssitzungen unter gewissen Rahmenbedingungen bereits freigegeben. Beispielsweise tagt in Klagenfurt der Gemeinderat in einem Fußballstadion, und das sogar mit Publikum. Warum also nicht die aktuell leerstehenden Veranstaltungsräume die ausreichenden Abstand ermöglichen nutzen? Wo Wille und Kreativität, da auch ein Weg.
Wie gehen Sie als Fraktion mit „dringenden Anträgen“ oder „dringenden Anfragen“ aktuell um?
Die im Stadtrecht vorgesehenen Tools der „Anträge“ und „dringenden Anträge“ sind für die Krisenzeit nicht brauchbar, weil sich im Moment die gesellschaftlichen Realitäten sehr schnell verändern, und es aktuell keine Gemeinderatssitzungen gibt. Also bringen wir unsere Anträge informell, direkt im Lagezentrum ein. Diese haben zwar keinen Rechtsanspruch, aber durchaus politischen Wert. Wir haben etliche Anträge wie das temporäre Aussetzen der Parkraumbewirtschaftung für Systemerhalter*innen und ein umfassendes Sozialpaket gegen die immer bedrohlicher werdende Armuts- und Arbeitslosigkeitsgefahr in dieser Zeit eingebracht. Der Bürgermeister hat dann über unsere Anträge entschieden. „Leider hat die Opposition kein Mitspracherecht in dieser Lagezentrumsgruppe, daher wissen wir über die Beratungen nicht Bescheid.
Welche Schwerpunkte will ihre Fraktion in der „ersten“ Gemeinderatssitzung setzen?
Wir stehen in der Krise laufend vor neuen politischen Herausforderungen. Eine davon sticht besonders heraus und kann weitreichende gesellschaftliche Konsequenzen haben. Die Arbeitslosigkeit, die Armutsfalle, die Kluft zwischen arm und reich. Hier müssen wir dringend ganz konkrete Notfallprogramme ausarbeiten um die Negativspirale aufzuhalten. Gleichzeitig ist es spätestens jetzt die Zeit, unser vorherrschendes Wirtschafts- und Produktionssystem schonungslos zu hinterfragen. Es kann doch nicht sein, dass wir in Österreich zwar Millionäre und Milliardäre haben, Waffen und unzählige hochpreisige Produkte exportieren, aber gleichzeitig auf Billiglohnländer angewiesen sind, wenn es um die einfachsten Schutzmasken und Schutzausrüstungen für Ärzte, Pflegepersonal usw. geht. Wir dürfen nicht mehr außer Acht lassen, dass wir unser Wirtschaftssystem in erster Linie unseren Grundbedürfnissen anzupassen haben, während wir um die Wette in einem transkontinentalen Markt, „Anteilen“ hinterherlaufen.